Mitwirkungs- und Auskunftspflicht ≠ Recht zum Schweigen

Mit der Mitwirkungspflicht gem. § 90 I AO ist der Steuerpflichtige zur Mitwirkung bei der Ermittlung eines steuerrechtlichen Sachverhaltes verpflichtet. Dieser Pflicht kommt er insb. dadurch nach, dass er steuererhebliche Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenlegt und die ihm bekannten Beweismittel angibt. Der Umfang dieser Pflicht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Auch bei ausländischen Sachverhalten besteht die Mitwirkungspflicht. So haben die Beteiligten Sachverhalte aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann zu einer Schätzung der Besteuerungsgrundlage führen. Umfangreiche Mitwirkungspflichten sind im Rahmen einer Außenprüfung und bei einer Steuerfahndung zu erfüllen. So hat der Steuerpflichtige bei einer Außenprüfung insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei der Ausübung ihrer Befugnisse zu unterstützen. Es gibt eine sog. „besondere Mitwirkungspflicht“. Das sind beispielsweise die Anzeigepflichten gem. §§ 137-139 AO, Erklärungspflichten gem. §§ 149-153 AO sowie Buchungs- und Aufzeichnungspflichten gem. §§ 140-148 AO.

Die Auskunftspflicht gem. § 93 AO meint, dass Steuerpflichtige gegenüber dem Finanzamt zur Auskunft verpflichtet sind, wenn dies im Besteuerungsverfahren notwendig ist. Dies gilt auch für nicht rechtsfähige Vereinigungen, Vermögensmassen, Behörden und Betriebe gewerblicher Art der Körperschaften des öffentlichen Rechts. Kann der steuerliche Sachverhalt durch die Beteiligten nicht aufgeklärt werden, können auch andere Personen als die Beteiligten zur Auskunft aufgefordert werden. Die Auskünfte sind wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu erteilen. Auskunftspflichtige, die nicht aus dem Gedächtnis Auskunft geben können, haben Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden, die ihnen zur Verfügung stehen, einzusehen und, soweit nötig, Aufzeichnungen daraus zu entnehmen. Die Auskünfte können schriftlich, mündlich oder telefonisch erteilt werden. Die Finanzbehörde kann verlangen, dass der Auskunftspflichtige schriftlich Auskunft erteilt, wenn dies der Sache dient.

Recht zum Schweigen ist eine goldene Regel im Strafverfahren. Das Schweigerecht ist eine Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips und Art. 6 EMRK. Oftmals wird es auch als „nemo-tenetur-Prinzip“ bezeichnet. Der Beschuldigte darf nach diesem Grundsatz zur Sache schweigen. Niemand ist verpflichtet, sich selbst anzuklagen. Der Bürger hat gegenüber dem Staat nicht nur die Freiheit, sich selbst nicht belasten zu müssen, er muss noch nicht einmal aktiv an der Sachverhaltsaufklärung mitwirken. 

Widerspruch zwischen Mitwirkungs- und Auskunftspflicht und Recht zum Schweigen

Im Steuerstrafrecht wird das allgemeine Steuerrecht von den Besonderheiten eines Strafverfahrens überlagert. Zwei Verfahrensordnungen, die eigentlich unvereinbar sind, stehen sich gegenüber. Das Strafrecht ist durch das Recht zu Schweigen gekennzeichnet, wohingegen in dem Steuerrecht umfassende Mitwirkungs- und Auskunftspflichten bestehen. Dies führt zu ständigen Spannungen und Widersprüchen. Der Beschuldigte in einem Steuerstrafverfahren sieht sich zum einen dem Vorwurf ausgesetzt, eine Straftat begangen zu haben. Dies führt dazu, dass er zum Beispiel grundsätzlich das Recht zum Schweigen hat. Zum anderen ist er verpflichtet, weiterhin seine Steuern korrekt zu erklären und zu bezahlen. 

Im Steuerstrafverfahren sollte beachtet werden, dass eine Doppelgleisigkeit der Verfahren besteht. Wird in einem Steuerstrafverfahren geschwiegen, so kann es im steuerrechtlichen Verfahren unabhängig davon dennoch zu teuren Steuerbescheiden kommen. Es besteht nämlich die steuerrechtliche Mitwirkungspflicht im steuerrechtlichen Verfahren trotz des Strafverfahrens. Diese Mitwirkungspflicht kann jedoch nicht mehr zwanghaft durchgesetzt werden. Dennoch können bei fehlender Mitwirkung im Einzelfall Schätzungsbescheide drohen.